ISPU
ISPU – International Summit for Peace in Ukraine – international und zivilgesellschaftlich – Friedensaktivisten diskutieren am 10. und 11. Juni 2023 in Wien über die aktuelle Lage rund um den Krieg an der und um die Grenze zwischen Ukraine und Russland.
Zwei Tage vor dem Wochenende sagte der ÖGB den Veranstaltern des Gipfels die Nutzung der Räumlichkeiten im ÖGB-Catamaran ab, gefolgt von Empörung, Debatten und Stellungnahmen (s.u.2). Die Veranstalter IPB (International Peace Bureau) und AbFaNG (Aktionsbündis für Frieden, aktive Neutralität und Gewaltfreiheit Österreich) ließen die Unterbindung des Dialoges jedoch nicht zu und konnten mit dem Loreley-Saal im 14. Bezirk einen anderen Veranstaltungsort finden. Die Stimmung war dadurch bereits vor dem Wochenende etwas aufgeheizt, aber der Veranstaltungssaal war voll und es wurde am Podium sachlich diskutiert. Die Stimmen kamen aus aller Welt. Per Video-Zuschaltung oder weit angereist wie z.B. Boliviens Vize-Präsident David Choquehuanca.
Eines der Statements ist mir besonders im Kopf geblieben: „The world is overarmed and peace is underfunded“ („Die Welt ist überbewaffnet und Frieden unterbezahlt“), ausgesprochen von Rosa Logar von WILPF Austria – Women’s International League for Peace & Freedom.
Es waren 32 Nationalitäten vertreten und nahezu alle Sprecher waren sich einig mit der Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand und dem Beginn von Verhandlungen. Was dies bedeutet, konnte EU-Abgeordnete Clare Daly aus Irland verdeutlichen: auch über 25 Jahre nach dem Waffenstillstandsabkommen in Irland/Nordirland ist der Frieden noch nicht vollzogen. Selbst wenn es politisch gesichert ist, ist die Arbeit noch nicht getan: Annährung, Begegnung, Befreiung von Vorurteilen v.a. in jungen Menschen erfordern professionelle Begleitung über einen langen Zeitraum. Gerade junge Erwachsene haben das Potential, den Frieden in die Zukunft zu tragen.
Mit Anuradha Chenoy (Prof. für International Studies in New Delhi) hatte auch der „globale Süden“, welcher ca. 75-80% der Welt-Bevölkerung ausmacht, eine starke Stimme: Viele Länder unterstützten die Sanktionen gegen Russland nicht und seien der Überzeugung, dass Sanktionen mit Krieg gleichzusetzen sind. Der „globale Süden“ sei pro-westlich, wolle aber gleichzeitig Russland und China als Wirtschafts-Partner haben. Chenoy sprach sich für eine internationale humanitäre Sicherheit aus.
Abschlussdeklaration
Eine Stimme aus Russland kam von Oleg Bodrov (IPB board member). Er berichtete über die Festnahmen von Protestierenden und darüber, dass die Zivilgesellschaft in Russland von der Diskussion ausgeschlossen wird. Er nannte außerdem eine vielleicht wenig beachtete Gefahr in heutigen Kriegen: Atomreaktoren seien zu neuen „Waffen“ geworden und stellten ein Instrument zu Erpressungen dar. Aus dieser Perspektive sei ganz Europa „vermint“.
Zwei Sprecher aus der Ukraine schilderten unterschiedliche Perspektiven: „Jeder Mann sollte das Recht haben, keine Waffe in die Hand nehmen zu müssen“, sagte Yuri Sheliazhenko (Ukraine Pacifist Movement). Die Annahme einer Unmöglichkeit von Frieden führe seinen Worten nach in den Wahnsinn, in die Selbst-Zerstörung und zu Transgenerations-Trauma. Nina Potarska (WILPF Ukraine) hingegen hielt eine sehr bedrückende Rede zur Situation, in welcher sich viele Ukrainer befinden: ein Leben in der Ukraine bedeute aktuell „kein Vertrauen darin zu haben, dass das Morgen kommen wird“. Ein Waffenstillstand zum jetzigen Zeitpunkt bedeute aus ihrer Sicht, dass es die Grenzen von vor dem Krieg nie wieder geben würde und damit auch, dass getrennte Familien nicht mehr zusammenkommen würden. Und er wäre eine „Opferung der Ukrainer für den Frieden anderer“. Für Stille im Raum sorgte einer ihrer letzten Sätze: „Es ist einfach, „für alles Gute“ und „gegen alles Böse“ zu sein und es ist ein Privileg, über Frieden zu reden und Friedens-Lieder zu singen, während man an einem sicheren Ort ist“.
Um die Abschluss-Deklaration des Friedensgipfels und deren Wortlaut gab es, wie die Veranstalter am Sonntag mitteilten, intern heftige Diskussionen und es wurde sich schlussendlich darauf geeinigt, die Deklaration nicht im Namen aller Teilnehmer, sondern im Namen der Organisatoren zu verfassen. Die Hauptpunkte sind: Waffenstillstand, Verhandlungen und Aktivitäten/Treffen für die Zukunft. (ganze Deklaration s.u. 3)
Infostand der IPPNW: Isabel und Nils
Quellen:
1. persönliche Mitschrift während der Veranstaltung
Weitere Informationen: https://abfang.org/friedenswege/ips-vienna/
Filmempfehlung
Der Film „Breaking Bread and Laws“ ist ein Porträt über Martha Hennessy, über Widerstand gegen Atomwaffen aus der Zivilgesellschaft. Mutig, radikal und für die eigenen Überzeugung von Frieden ins Gefängnis gehend. Ein Pressetext über den Film gibt es hier:
https://tv.orf.at/program/orf2/kreuzundqu716.html Um den Film selbst zu sehen, bitte eine Email an die Filmemacherin Cristina Yurena Zerr (cristina.zerr@posteo.de) schicken, sie wird dann einen link und ein Passwort zukommen lassen. Ihre website: https://www.cristinazerrsarmiento.com/k-o-n-t-a-k-t/